07.10.2019

Thailand. Unter militärischer Führung gelingt es dem Königreich, seine Industrie und Infrastruktur auszubauen. In der Peripherie spürt man davon allerdings wenig.

Wirtschaft marsch!

Thailand schickt viele Agrarprodukte ins Ausland, darunter auch Reis. Hier zählt das Land zu den größten Exporteuren weltweit.

Viele Staaten kommen Jahrzehnte nicht vom Fleck, weil politische Umbrüche und Putsche jede Entwicklung im Keim ersticken. Thailand scheinen derlei Machtkämpfe wenig auszumachen: Obwohl in den letzten Jahrzehnten immer wieder die Armee die Macht an sich riss und zahlreiche Regierungen kamen und gingen, gelang eine vorzeigbare wirtschaftliche Entwicklung, die das Königreich heute in vielen Belangen besser dastehen lässt als seine Nachbarn.

Das gilt auch für die jüngste Militärherrschaft, die erst dieses Jahr demokratischere Züge annahm – das Unterhaus wurde gewählt, das Oberhaus wird weiterhin vom Militär bestimmt. Armeechef General Prayut Chan-o-cha hatte sich 2014 an die Staatsspitze geputscht. Das Militär regierte seither mit diktatorischen Vollmachten. Während es die Rede-, Versammlungs- und Pressefreiheit stark beschnitt, attestieren viele Beobachter der Regierung eine ansprechende Wirtschaftspolitik. Das mag ein Grund sein, warum die militärnahe Partei PPRP im Frühjahr 2019 als stärkste Kraft aus den Parlamentswahlen hervorging. Prayut schmiedete in Folge eine Koalition und ist seither demokratisch legitimierter Premier.

Reformen werden fortgesetzt

"Thailand hat über die Jahrzehnte eine beachtenswerte Industrie aufgebaut“, bestätigt Günther Sucher, österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Bangkok. Aus wirtschaftspolitischer Sicht sei die Wahl Prayuts "gar nicht so schlecht, weil das garantiert, dass begonnene Reformen und Investitionsprojekte fortgesetzt werden. Der alte und neue Finanzminister ist ein Technokrat im positiven Sinne – ein Wirtschaftsfachmann und personifizierter Reformator.“

Die Kennzahlen der Volkswirtschaft sind ansehnlich: Zuletzt 3,4 Prozent Wachstum, etwa 1 Prozent Inflation und kaum Arbeitslosigkeit. Das solide Wirtschaftswachstum werde sich auch fortsetzen, erwartet OeKB-Länderexpertin Ines Baumann: "Auch künftig sind zwischen 3 und 4 Prozent möglich – allerdings abhängig vom globalen Umfeld. Derzeit sehen wir einen Aufschwung durch mehr Exporte und Tourismus sowie steigende Produktion, etwa im Elektroniksektor.“

Reis macht nicht reich

Zwischen den einzelnen Landesteilen herrscht ein großes Gefälle in der Entwicklung: Der Großraum Bangkok und die Tourismusgebiete sind den übrigen Regionen mehrere Schritte voraus – dort bietet oft die Landwirtschaft das einzige Einkommen. Viele Agrarprodukte gehen auch ins Ausland: Bei Reis, Naturkautschuk, Ananas, Maniok und Garnelen zählt Thailand zu den größten Exporteuren der Welt. Doch der Wohlstand wächst dort, wo die Industrie ist – und das ist vor allem in der Metropolregion Bangkok, wo rund 15 der 69 Millionen Einwohner Thailands leben. "Von Bangkoks Zentrum fährt man in jede Richtung eineinhalb Stunden durch Industriezonen“, berichtet Günther Sucher.

Östlich von Bangkok soll mit dem Eastern Economic Corridor ein Zentrum für High-Tech-Industrie entstehen.
Günther Sucher, österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Bangkok

Industrie soll high-tech werden

Produziert werden unter anderem Autos, Stahl, Textilien, Elektrogeräte und -komponenten wie Datenspeicher, Klimaanlagen und Videoequipment. Auch Agrarprodukte werden industriell weiterverarbeitet – etwa der Kautschuk zu verschiedenen Gummiprodukten. Thailand erzielt damit eine leicht positive Handelsbilanz. Die Leistungsbilanz zeigt dank Tourismus und Auslandsinvestitionen ein deutlich größeres Plus.
 
Bemerkenswert ist für Sucher vor allem die von japanischen Marken geprägte Autoindustrie: "Es wird schon viel assembliert, aber im Unterschied zu Nachbarn wie Vietnam gibt es auch eine gut etablierte lokale Zulieferindustrie. In letzter Zeit zeigt sich ein starker Fokus auf Elektroautos, auch Batterieproduktion ist ein großes Thema geworden.“ Das füge sich gut in den Plan der Regierung, höherwertige Industrien wie Robotik, Biotechnologie oder Aviation anzuziehen. "Östlich von Bangkok soll mit dem Eastern Economic Corridor ein Zentrum für High-Tech-Industrie entstehen.“

 

  Wussten Sie, dass

  • ... Reis und Garnelen zu den wichtigsten Agrar-Exportgütern zählen?
  • ... Autos zu einem der wichtigsten Industrieprodukte aufgestiegen sind?
  • ... der Tourismus mehr als 20 % zum BIP beiträgt? So viel wie in kaum einem anderen Land.

Tipp: Authentische Thai-Küche

Mit dem Zertifikat "Thai Select“ zeichnet das thailändische Handelsministerium Restaurants in aller Welt aus, die authentische thailändische Gerichte auf ihren Speisekarten anbieten. In Österreich tragen derzeit zehn Lokale das "Thai Select“-Siegel, davon neun in Wien und eines in Feldkirch.

Viel Engagement aus Österreich

Nicht nur für österreichische Exporte, sondern auch als Produktionsstandort ist Thailand eine interessante Destination. "Es wird viel in Infrastruktur investiert und das Steuer- u. rechtliche System ist generell investorenfreundlich“, meint Baumann von der OeKB. "Wir sehen Thailand als stabilen und attraktiven Investitionsstandort in Asien, der sich zum High-Tech-Hub der ASEAN-Zone entwickeln kann.“

Schon um die zwanzig österreichische Firmen haben daher Produktionsstandorte in Thailand aufgebaut: Zum Beispiel stellt Swarovski in mehreren Werken mit rund 10.000 Beschäftigten Modeschmuck her, voestalpine VAE produziert Weichenteile, Greiner Bio One Blutabnahmesysteme, MAM Babyprodukte, Alpla Kunststoffverpackungen, Teufelberger Seile für die Segelindustrie und Anita Damenspezialunterwäsche. Das größte Engagement wird bald eine Fabrik für Myocell-Textilfasern sein, die Lenzing ab Herbst um 400 Millionen Euro errichten lässt.
 

Das übertrifft sogar den Wert der österreichischen Exporte nach Thailand, die relativ stabil bei 270 bis 280 Millionen Euro liegen. "Heuer haben wir hier ein großes Plus“, berichtet Sucher, "darin spiegelt sich allerdings ein einzelner Großauftrag an Siemens für U-Bahn-Garnituren wider. Ich erwarte aber in den nächsten Jahren eine durchaus positive Entwicklung, gute Perspektiven gibt es zum Beispiel für Spezialmaschinen und Infrastrukturzulieferungen.“

"Thailand nicht als verlängerte Werkbank sehen“

Heiko Arnold, CTO der Lenzing AG, berichtet über die Erfahrungen rund um den Bau der größten Lyocellfaseranlage der Welt, die in Thailand entsteht.

Was macht Thailand als Produktionsstandort attraktiv?
Für uns war klar, dass wir in Asien bauen, weil dort die meisten Abnehmer sind. Thailand bietet unter anderem einen besseren Schutz des geistigen Eigentums als etwa China, weniger Gefahr durch Naturkatastrophen als Indonesien und zudem ein klares, transparentes Genehmigungssystem. Die Autoindustrie hat vorgezeigt, dass Produktionsstätten mit hoher technischer Komplexität in Thailand erfolgreich funktionieren.

Ist es schwer, qualifiziertes Personal zu finden?
Sie müssen nur rechtzeitig anfangen zu suchen. Die gut ausgebildeten Ingenieure warten nicht auf Sie, aber wir gehen zum Beispiel schon seit zwei Jahren gezielt zu technischen Schulen und finden eine sehr gute Basis an jungen, motivierten Arbeitskräften.

Welche kulturellen Besonderheiten sind zu beachten?
Sie sollten Thailand nicht als verlängerte Werkbank sehen. Die Thais sind ein stolzes Volk, man muss ihre Kultur respektieren. Wenn man zum Beispiel ein Büro einweiht, ist es wichtig, die Mönche des lokalen Tempels dazu einzuladen. Der Schlüssel ist, einige einheimische Manager zu haben, die auch Erfahrung mit westlichen Firmen haben und eine kulturelle Brücke bilden. Lassen Sie sich nicht davon täuschen, dass die Thais sehr höflich sind – sie lassen es schwer erkennen, wenn man Erwartungen nicht erfüllt hat.

Wir sehen Thailand als stabilen und attraktiven Investitionsstandort in Asien, der sich zum High-Tech-Hub der ASEAN-Zone entwickeln kann
Ines Baumann, OeKB-Länderexpertin

Weichen stellen für neue Schienen

Der Staat investiert unter anderem in einen Hochgeschwindigkeitszug, der die drei großen Flughäfen um Bangkok miteinander verbinden soll. Der große Hafen südöstlich von Bangkok wird groß ausgebaut, Autobahnen entstehen. Bald sollen Schienenwege von China nach Singapur und von Vietnam nach Myanmar durch Thailand führen – der Abschnitt Richtung China ist schon in Bau. Alternativenergien werden bisher kaum genutzt, die Pläne dafür seien aber sehr ambitioniert, sagt Sucher: "Vor allem für Photovoltaik – auch im privaten Bereich gibt es dafür Förderungen.“

Etwas gebremst wird die Wirtschaft allerdings durch Mängel im Bildungssystem. "Dass es kein Berufsausbildungssystem wie bei uns gibt, ist in der Region nicht ungewöhnlich. Ein gewisses Problem sind aber die schlechten Fremdsprachenkenntnisse. Selbst Absolventen von FHs und Universitäten sprechen oft nicht gut Englisch, obwohl Thailand eine große Tourismusnation ist.“ Auch bei Businessterminen mit internationalen Unternehmen sei es ganz gut, jemanden mitzunehmen, der Thai spricht.

 

Aktuelle Deckungspolitik Thailand

Top-Geschäftschancen

  • Deckung ohne Einschränkungen
  • 100 % Deckungsquote für politische Risiken
  • OECD-Länderkategorie 3 von 7

Zu den Länderinformationen

  • Infrastruktur
  • Automobilindustrie
  • High-Tech-Industrie
  • Bildung

Nachfragen lohnt sich

Zudem bringt die buddhistische Kultur für europäische Geschäftsleute Herausforderungen, weiß Sucher aus Erfahrung: "Man sagt nicht Nein, deshalb ist es oft schwer, herauszufinden, was das Gegenüber meint. Gesichtsverlust ein großes Thema, es wird nicht zugegeben, dass man etwas nicht verstanden hat oder nicht tun kann. Wenn der Taxifahrer freundlich lächelt und losfährt, heißt das nicht, dass er die Adresse verstanden hat. Mein Rat ist, immer vorsichtig und freundlich nachzufragen.“

Thailand in Zahlen*

  • Bevölkerung 69,3 Mio.
  • Human Development Index: Rang 83 (von 188)
  • Geburtenrate: 1,52 Kinder/Frau
  • Lebenserwartung: 75,1 Jahre
  • BIP-Wachstum real 2019: 3,8 %
  • BIP absolut 522,8 Mrd. US-$
  • BIP pro Kopf:  7.500 US-$
  • Inflation: 0,92 %
  • Exporte: 266,1 Mrd. US-$
  • Importe: 233,8 Mrd. US-$

  Geschichte kurzgefasst: Nie Kolonie

Anders als die umgebenden Länder geriet Thailand nur kurz unter Fremdherrschaft, als es im 2. Weltkrieg von Japan besetzt wurde. Als Puffer zwischen englischen und französischen Kolonien bewahrte das Königreich Siam (der Name bis 1939) seine Unabhängigkeit, wenngleich es gewisse Eingeständnisse an die Europäer gab. Woher die Thai ursprünglich stammen, ist unklar – China, Vietnam und das heutige Thailand kommen in Frage. Bis ins 19. Jahrhundert gab es in der Region keine festen Grenzen, sondern überlappende Einflussbereiche. Um die Zeitenwende entstanden Reiche von Mon-Völkern (heute eine Minderheit in Burma), im 9. bis 12. Jahrhundert waren weite Teile des heutigen Staatsgebiets durch Khmer von Angkor aus beherrscht. Im 13. Jahrhundert entstanden erste Thai-Staaten, Sukothai erreicht fast die heutige Ausdehnung. Später wanderte das Machtzentrum nach Ayutthaya (man entsandte sogar Missionen nach Europa) und gegen Ende des 18. Jahrhunderts nach Bangkok. Dort begründete Rama I. die heutige Dynastie. 1932 wurde das Königreich zur konstitutionellen Monarchie. Nach dem Zweiten Weltkrieg regierten öfter Militärs als demokratisch gewählte Vertreter. Eine neue Verfassung trat 2017 in Kraft.

*Quelle: WKO, CIA World Factbook

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