Usbekistan. Nach dem Tod des Langzeitpräsidenten „entfesselt“ dessen Nachfolger die Wirtschaft der zentralasiatischen Republik, die auf Gold, Erdgas und Baumwolle fußt.
Frischer Wind
Er werde die Politik des verstorbenen Präsidenten weiterführen, kündigte Schawkat Mirsijojew an, als er Ende 2016 an die Spitze Usbekistans trat. Sein Vorgänger Islam Karimov, der schon an die Macht kam, als das Land noch eine Sowjetrepublik war, hatte es mit harter Hand und einer großen Portion Misstrauen gegenüber dem Ausland regiert: zentralistische Planwirtschaft, Unterdrückung politischer Gegner, fehlende Meinungsfreiheit, schlechte Beziehungen zu den Nachbarstaaten, strikte Handelsbeschränkungen und so weiter.
Die Ankündigung des mit umfassenden Befugnissen ausgestatteten Mirsijojew ließ also nichts Gutes hoffen. „Analysten nahmen an, dass er die investorenunfreundliche Politik Karimovs fortsetzen wird“, sagt Gerald Mayer, Länderexperte in der OeKB. „Aber zur Überraschung vieler Beobachter leitet Mirsijojew eine vorsichtige Öffnung des Landes ein.“
Kurswechsel beim Wechselkurs
Manchmal ist sie auch gar nicht vorsichtig, sondern ziemlich progressiv: Vor einem Jahr beendete Mirsijojew schlagartig die restriktive Devisenpolitik, die mit einem unrealistischen offiziellen Wechselkurs zum Dollar und regem Schwarzmarkthandel einherging – ein Schritt, der international begrüßt wurde. Die angespannten Beziehungen zu den Nachbarländern Kirgistan und Tadschikistan konnte Mirsijojew mit Staatsbesuchen binnen weniger Monate verbessern. Zwar sind noch nicht alle Streitigkeiten um Grenzverläufe und Wasserwirtschaft beigelegt, aber die wirtschaftlichen Beziehungen zeigen einen imposanten Aufwärtstrend.
Das gilt nicht nur für Geschäfte mit diesen beiden Ländern, sondern für die Außenwirtschaft Usbekistans insgesamt: Im ersten Quartal 2018 wurde um 59 Prozent mehr exportiert und um 45 Prozent mehr importiert als ein Jahr zuvor. Dabei werden ansatzweise auch andere Waren ausgeführt als bisher, wie Rudolf Thaler, der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Almaty, erklärt: „Man diversifiziert von Erdöl, Erdgas, Gold und Baumwolle, die bisher fast die einzigen Exportgüter waren.“
Zeit für Pionierleistungen
Künftig möchte Usbekistan seine Rohstoffe selbst veredeln, bevor sie exportiert werden. „Wenn hier neue Industrien aufgebaut werden, ergeben sich Chancen für unsere Zulieferer“, sagt Thaler. „Durch seine Bevölkerung von 32 Millionen Menschen ist das Land schon aufgrund der Größe interessant“, erklärt der Wirtschaftsdelegierte, der von Kasachstan aus mehrere zentralasiatische Länder betreut
„Wirtschaftlich ist Kasachstan trotz der geringeren Bevölkerung noch ein bedeutenderer Markt als Usbekistan. Aber der Raum wird sehr attraktiv werden – und je später man kommt, desto höher sind die Markteintrittsbarrieren“, lädt Thaler österreichische Firmen zum Pioniertum ein. Usbekistan sei kein Markt für Newcomer, die noch nie exportiert haben, warnt er: „Aber exporterfahrene Unternehmen sollten sich die Entwicklung ansehen und rechtzeitig nach effizienten und loyalen Partnerschaften suchen – die findet man nicht so schnell.“
Ein liberaler Fünfjahresplan soll das Land bis 2021 zur Marktwirtschaft machen, berichtet OeKB-Analyst Mayer. „Dazu müssen vor allem Handelshemmnisse abgebaut sowie ausländische Investoren angelockt werden.“ Thaler sieht Usbekistan auf einem guten Weg dorthin: „In den letzten beiden Jahren gab es ein Reformfeuerwerk, das auch von der Bevölkerung als positiv wahrgenommen wird. Internationale Finanzinstitutionen wie die EBRD und die Weltbank werden nach langer Absenz wieder aktiv und sind mit Projekten unterwegs.“ Bei einem Besuch im November beobachtete er auch eine lebhafte Start-up-Szene in der Hauptstadt Taschkent: „Man sieht Business Incubators, Funds von der Regierung, junge Entrepreneurs, die im Silicon Valley Erfahrung gesammelt haben – es ist ein Drive drinnen.“
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Start von niedrigem Niveau
Die Öffnung schreitet voran, und Usbekistans Wirtschaft wuchs zuletzt real um über 5 Prozent. Doch mahnende Stimmen warnen vor übertriebener Euphorie. „Optimismus ist angebracht. Aber trotz des staatlich gelenkten und kontrollierten Liberalisierungsprozesses ist Usbekistan bei Weitem noch nicht mit einer freien Marktwirtschaft zu vergleichen“, so Gerald Mayer. Vor allem bei der Restrukturierung der großen, oft marktbeherrschenden staatlichen Unternehmen gebe es noch viel Aufholbedarf: „Viele davon werden lediglich mit staatlichen Finanzspritzen am Leben erhalten.“ Freie Medien fehlen bis dato, der Internet-Zugang ist weiterhin eingeschränkt, und von einem demokratischen Rechts- und Justizsystem ist Usbekistan noch weit entfernt. Im Korruptionswahrnehmungsindex liegt Usbekistan auf Rang 157 von 180 – gleichauf mit Simbabwe.
„Man muss sich darauf einstellen, dass vieles im Fluss ist“, sagt auch Rudolf Thaler. „Zum Beispiel gibt es beim Rechts- und Steuersystem und bei der Grenzabwicklung laufend neue Regelungen.“ Auch bei der Infrastruktur bestehe noch Aufholbedarf: „Bei der Energieproduktion ist man derzeit von Wasser aus Tadschikistan abhängig. Allerdings hat Mirsijojew heuer ein Abkommen mit Putin über den Bau eines 11 Milliarden Dollar teuren Atommeilers geschlossen.“ Dabei sucht der Staatspräsident nicht nur zu Russland ein gutes Verhältnis, sondern auch zu China, der EU und den USA – er war vor kurzem auch im Weißen Haus zu Gast.
Mission soll Handel ankurbeln
Ein Besuch Mirsijojews in Österreich ist derzeit nicht geplant, aber dafür eine österreichische Wirtschaftsmission nach Taschkent, die im April stattfinden soll. Thaler hofft auf rege Beteiligung österreichischer Firmen – denn noch sind die Handelsbeziehungen rudimentär. Gerade einmal 3 Millionen Euro machten die Importe aus Usbekistan im Vorjahr aus, immerhin 42 Millionen Euro erzielte der Handel von Österreich nach Usbekistan. „Das ist keine Riesensumme und kann durch einzelne Aufträge stark schwanken“, kommentiert Rudolf Thaler. „Wir gehen davon aus, dass derzeit ca. 40 österreichische Firmen mit Niederlassung oder einer Vertretung vor Ort in Usbekistan aktiv sind. Wir merken aber zunehmendes Interesse.“ Für österreichische Firmen sieht er etwa Pharmazeutika, Gesundheitswesen, Agrobusiness, Lebensmittelverarbeitung und die Modernisierung von Industrien als interessante Bereiche. OeKB-Experte Mayer sieht weitere Chancen für österreichische Investoren und Lieferanten in den Branchen Umwelttechnik, Bergbau und Hüttenwesen, Strom und Gas sowie Chemie-, Textil- und Lederindustrie.
Leichter reisen
Usbekisch lernen muss man als interessiertes Unternehmen für einen Besuch in Taschkent übrigens nicht, verrät Thaler: „Im Taxi kann es Ihnen passieren, dass man nur Usbekisch spricht und am Land sowieso. Aber in der Stadt und auf Firmenebene kommt man mit Englisch ganz gut durch.“ Wer zum Urlauben nach Usbekistan reist, um etwa die imposanten Welterbe-Stätten in Samarkand und Buchara zu besuchen, spürt übrigens ebenfalls etwas von der Öffnung des Landes: Seit Juli muss man für ein Touristenvisum nicht mehr den Pass bei der Botschaft abgeben, sondern kann dieses online beantragen.
WKO-Wirtschaftsmission im April
Zwischen 7. und 12. April 2019 plant die WKO eine Wirtschaftsmission nach Usbekistan und Kasachstan – eine optimale Gelegenheit für interessierte Unternehmen, den Boden für potentielle Exportgeschäfts zu bereiten. Mehr Informationen finden Sie unter folgendem Link:
Website der WKO-Wirtschaftsmission nach Usbekistan und Kasachstan
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Schon vor über 30.000 Jahren siedelten Menschen im Gebiet des heutigen Usbekistan. 327 vor Christus eroberte Alexander der Große das Gebiet. Noch vor der Zeitenwende entstand auch die Seidenstraße, die den Städten später große Bedeutung verlieh. Ab dem 8. Jahrhundert gehörten die meisten der heute usbekischen Gebiete zur islamischen Welt. Vom 13. Jahrhundert an regierten die Mongolen, unter denen ein wissenschaftlicher und kultureller Aufschwung einsetzte. Die eigentlichen Usbeken, ein von mongolischen Khanen geführtes Turkvolk aus dem Westen Sibiriens, kamen im 16. Jahrhundert an die Macht. Im 19. Jahrhundert kämpften Russland und England um die Vorherrschaft in Zentralasien, 1868 entstand das russische Generalgouvernement Turkestan, aus dem 1925 die Usbekische SSR hervorging. Seit 1963 hatte diese die heutigen Grenzen Usbekistans. Islom Karimov, seit 1989 erster Parteisekretär, führte das Land 1991 in die Unabhängigkeit und wurde zum Präsidenten Usbekistans – bis zu seinem Tod 2016. Trotz seiner undemokratischen Herrschaft genießt er weiterhin hohes Ansehen. |
*Quelle: WKO
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