Die Liste der Länder, in die österreichische Exporteure ihre Waren und Leistungen liefern, ist lang. Fundierte Informationen über die wirtschaftliche und politische Situation in diesen Märkten helfen heimischen Unternehmen, das Risiko besser einzuschätzen und die richtigen Instrumente für eine Minimierung dieser Risiken zu wählen. Unser Länderanalyseteam hat die wichtigsten Exportmärkte Österreichs immer im Blick. In unserer Serie #MärkteImFokus erfahren auch Sie, welcher Markt aktuell Chancen bietet und wo auf erhöhtes Risiko zu achten ist.
Werfen Sie gemeinsam mit unserem Expertenteam diesmal einen Blick auf interessante Zahlen, Daten und Fakten zu Indien und Kenia.
Indien
Wirtschaftliche Situation
Investorenfreundliches Umfeld mit regionalen Unterschieden
Indiens Wirtschaftsstruktur wird zwar vom Dienstleistungssektor dominiert, ist aber insgesamt gut diversifiziert. Viele große Unternehmen sind noch im Staatsbesitz und sollen sukzessive privatisiert werden. Mit der Kampagne "Make in India" soll die industrielle Basis weiter ausgebaut werden, um Einkommenssicherheit für die junge und stark wachsende Bevölkerung zu schaffen.
Große regionale Disparitäten prägen das Land. Während der Norden und Süden insbesondere vom boomenden IT-Sektor profitieren und der Süden und Westen von ertragsstarken Industriezentren, entwickelt sich der landwirtschaftlich geprägte Nordosten nur mäßig.
Die Regierung unter Premier Modi gilt als investorenfreundlich und strebt in den nächsten Jahren die Umsetzung von Großprojekten im Infrastrukturbereich an. Zudem soll die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit im verarbeitenden Gewerbe durch höhere Produktivitätsraten verbessert, der Landwirtschaftssektor reformiert und die Digitalisierung vorangetrieben werden.
Geschäftschancen dank rascher Konjunkturerholung und enormer Investitionen
Indien gilt als eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt. Nach der Covid-19-bedingten Rezession wird 2021 schon wieder ein Wachstumsschub von über 8 % verzeichnet. Dieser wird vor allem von Konsum und Investitionen getragen. 2022 wird aufgrund der internationalen Konjunktureintrübung, gekennzeichnet von Lieferkettenproblemen und hohen Produktionskosten, mit einer Abschwächung der Wirtschaftsleistung gerechnet. Vor allem die steigende Inflation, nicht zuletzt geschürt durch den Ukraine-Krieg, wirkt sich negativ auf die Kaufkraft und Investitionstätigkeit aus.
Mittel- und langfristig wird das Wachstumspotential des Landes weiterhin auf über 6 % BIP-Wachstum pro Jahr geschätzt. Dadurch ergeben sich für Auslandsinvestoren weiterhin enorme Geschäftschancen in allen Bereichen der Industrie und des Dienstleistungssektors. Besondere Investitionschancen bieten sich auch für die Umwelttechnologie, da sich Indien verpflichtet hat, bis 2070 klimaneutral zu sein. Im Transportsektor sollen die Elektromobilität und der Schienenverkehr zur Dekarbonisierung beitragen. Insgesamt wird der Investitionsbedarf auf jährlich 200 Mrd. USD bzw. 10 Bio. USD bis 2070 geschätzt.
Politisches Risiko
Stabile Regierung setzt auf protektionistische Wirtschafts-politik
Indien ist eine demokratisch-parlamentarische Republik mit bundesstaatlicher Gliederung. Die seit 2014 unter Premier Narendra Modi und der hindu-nationalistischen Partei BJP geführte Regierung genießt eine komfortable Mehrheit im Parlament und ist stabil. Auch die im März 2022 durchgeführten Parlamentswahlen in 5 Bundesstaaten signalisieren eine weitere Amtszeit von Modi bei den Parlamentswahlen im Jahr 2024.
Die im Juli 2022 durchgeführten Präsidentschaftswahlen wurden erstmals von einer Vertreterin indigener Minderheiten gewonnen. Droupadi Murmu wurde von der BJP nominiert, wodurch keine größeren Spannungen in der Zusammenarbeit mit der Regierung zu erwarten sind.
Die historisch bedingten außenpolitischen Spannungen mit Pakistan und China um das Grenzgebiet Jammu-Kashmir flammen immer wieder auf. Eine weitreichende und rasche politische Lösung ist auch in nächster Zeit nicht zu erwarten. Indien schließt sich den internationalen Sanktionen gegenüber Russland nicht an und bezieht Billig-Ölimporte und Kohle aus Russland, mit dem es auch militärisch gute Beziehungen pflegt.
Langsame Öffnung gegenüber Weltmarkt
Indien ist seit 2010 mit den Staaten der ASEAN-Freihandelszone verbunden, aber nicht Mitglied. Das Land setzt traditionell auf eine protektionistische Wirtschaftspolitik und öffnet sich nur langsam dem Weltmarkt, da eine Überflutung mit Billigimporten befürchtet wird. Die seit neun Jahren ausgesetzten Verhandlungen mit der EU über ein Freihandelsabkommen wurden im Juni 2022 wieder aufgenommen und sind wohl auch die Folge geopolitischer Veränderungen.
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Zahlen, Daten, Fakten
Verhaltensregeln für Ihren Indien-Besuch
Zur Begrüßung ist der Handschlag üblich, aber nicht zu fest. Kräftiges Händedrücken ist in Indien unhöflich. Die traditionell, wie zum Gebet, aneinandergelegten Handflächen werden zum Gruß nicht erwartet.
In Indien ist das Sitzen auf dem Boden sehr üblich und die Leute sitzen fast immer im Schneidersitz. Vermeiden sollten Sie, mit ausgestreckten Beinen und sichtbaren Fußsohlen zu sitzen. Dies wird als unhöfliches und respektloses Verhalten angesehen, weil man glaubt, dass die Füße unrein sind.
Vorsicht beim Kopfschütteln: Nicht jedes „Ja“ ist eine Zustimmung. „Ja“ kann auch „Ich weiß nicht“ bedeuten. Wer zögerlich antwortet, meint mitunter gar „Nein“. Um Missverständnisse zu vermeiden, stellen Sie am besten keine Fragen, die nur mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten wären.
Weitere interessante Fakten über Indien finden Sie hier: 40 Fakten über Indien (my-road.de)
Kenia
Wirtschaftliche Situation
Klimawandel und Verschuldung belasten Volkswirtschaft
Im regionalen Vergleich verfügt Kenia über eine relativ offene Volkswirtschaft mit wenigen Importrestriktionen und stellt eine der größten und am stärksten diversifizierten Wirtschaften auf dem Kontinent dar. Nairobi und Mombasa fungieren als regionale Handelsdrehscheiben. Nairobi etabliert sich zudem als IT-Hub in Afrika. Zu den Hauptexportgütern Kenias zählen Tee, Gartenbauerzeugnisse und Kaffee.
Neben privaten Transferzahlungen sind auch Einnahmen aus dem Tourismussektor wichtige Devisenbringer. Kenias Ernten sind stark abhängig von Klimaveränderungen: seit 2019 leidet die Landwirtschaft unter wiederkehrenden Heuschreckenplagen und Dürren, was sich in der Folge nachteilig auf das Wachstum auswirkt. Private Investitionen werden oftmals durch Korruption und schwache Governance behindert. Die Schuldenlast Kenias hat in den vergangenen Jahren drastisch zugenommen – nicht zuletzt aufgrund immenser Infrastrukturausgaben.
Internationale Geber unterstützen weiterhin
Maßnahmen zur Fiskalkonsolidierung erscheinen momentan jedoch schwierig, zumal neben geopolitischen Turbulenzen am 9. August 2022 ein neuer Präsident gewählt wird. Beide Kandidaten haben bereits jetzt – im Falle ihres Sieges – großzügige Sozialausgaben angekündigt. Internationale Geber unterstützen Kenia dennoch weiterhin, beispielsweise der Internationale Währungsfonds mit einem 3-Jahres-EFF- / ECF-Programm (April 2021 bis Juni 2024, 2,34 Mrd. USD).
Politisches Risiko
Weit verbreitete Korruption und Gefährdung durch Islamisten
Kenia ist eine ehemalige britische Kronkolonie und erst seit 1963 unabhängig von Großbritannien. Präsident Uhuru Kenyatta ist seit 2013 im Amt. 2014 wurde ein Verfahren gegen ihn wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem Internationalen Strafgerichtshof mangels Beweisen eingestellt. Korruption und Vetternwirtschaft sind weit verbreitet in Kenia.
Das Land ist zudem wiederholt im Visier somalischer Islamisten (Al Shabaab-Miliz). Die Sicherheit ist ein wichtiges Anliegen, da auch der für die Wirtschaft wichtige Tourismus betroffen ist. Im August 2021 scheiterte Präsident Kenyatta mit Verfassungsänderungen zum Wahlsystem. Die nächsten Wahlen finden am 9. August 2022 statt. Präsident Kenyatta ist nicht mehr wiederwählbar, es treten zwei Kandidaten an: Ex-Rivale und Oppositionsführer Raila Odinga, der von Präsident Kenyatta unterstützt wird, und Vizepräsident William Ruto. Es wird ein knappes Ergebnis und Proteste rund um die Wahlen erwartet.
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Zahlen, Daten, Fakten
Frauen, Film und Friedensnobelpreis
Frauen in Kenia essen Steine. Die Gesteinsbrocken finden sie auf dem Markt, wo sie vor allem an Schwangere verkauft werden. Der ernste Hintergrund: das Pica-Syndrom hat oft eine Mangelernährung als Ursache, beispielsweise das Fehlen von wichtigen Mineralien. Mehr Infos erhalten Sie in diesem Video: Frauen essen Steine (youtube)
Der Oscar-prämierte, US-amerikanische Spielfilm "Jenseits von Afrika" aus dem Jahr 1985, bei dem Meryl Streep, Robert Redford und Klaus Maria Brandauer in den Hauptrollen zu sehen sind, wurde zu großen Teilen in Kenia gedreht.
Die kenianische Umweltaktivistin Wangari Maathai erhielt 2004 als erste Frau Afrikas den Friedensnobelpreis für ihren Einsatz für nachhaltige Entwicklung, Demokratie und Frieden.
Indien | Kenia | |
BIP-Wachstum |
Seit Jahren hohe BIP-Wachstumsraten, 2020 COVID-19-bedingte Rezession (- 6,6 %), 2021 wieder starker wirtschaftlicher Aufholprozess (+ 8,7 %) 2022 wird aufgrund der internationalen Konjunktureintrübung und der hohen Energieimportabhängigkeit auch für Indien eine geringere Wirtschaftsdynamik prognostiziert ( + 6,8 %). |
Seit Jahren positives BIP-Wachstum, 2020 COVID-19-bedingt -0,3 % Ab 2021 wird wieder mit einer wirtschaftlichen Erholung bzw. positivem BIP-Wachstum gerechnet (2021: +7,5 %, 2022*: +4,7 %). |
Staatshaushalt |
Chronisch defizitärer Staatshaushalt; Corona-bedingte starke Ausweitung des Budgetdefizites 2020 (- 14,4 %); 2021 durch auslaufende Covid-Unterstützungsprogramme leichter Rückgang des Defizites auf 11,1 % Im laufenden Jahr und in den Folgejahren wird u.a. aufgrund von staatlichen Großprojekten im Infrastrukturbereich und höheren Beschaffungskosten mit Budgetdefiziten zwischen 10 % und 15 % gerechnet. |
Das Budget blieb 2019* durch höhere Löhne bzw. erhöhte Wirtschaftsausgaben in Form von Stimulusprogrammen unter Druck (-7,7 %), nunmehr wird jedoch mit einem Rückgang in den Folgejahren gerechnet (2021*: -6,5 %, 2022*: -6,3 %). Dies ist unter anderem auf geringere öffentliche Investitionen zurückzuführen. Darüber hinaus versucht die Regierung, das Fiskaldefizit durch Maßnahmen wie die Erhöhung der Steuerbasis oder die Abschaffung von Subventionen zu senken, was jedoch in Anbetracht der aktuellen geopolitischen Situation schwierig werden dürfte. |
Leistungsbilanz |
Chronisch defizitäre Leistungsbilanz; 2020 wird erstmals seit Jahren rezessionsbedingt (geringere Importe) ein Überschuss von 1,2 % d. BIP erzielt 2021 dreht die Bilanz aufgrund der hohen Wirtschaftsdynamik wieder ins Minus (-1,1 %); 2022*: - 1,8 % d. BIP mit steigender Tendenz in den Folgejahren. |
Seit Jahren chronisch defizitäre Leistungsbilanzen: 2020 -4,8 % des BIP Für die Folgejahre wird vor allem aufgrund steigender Nahrungsmittel- und Ölpreise mit einer Ausweitung des Defizits gerechnet (2021*: -5,0 %, 2022*: -5,6 %) |
Auslands-verschuldung |
Niedrig mit steigender Tendenz; 2021: 22,8 % d. BIP bzw. 99,4 % der Exporte 2022 wird eine Ausweitung der Auslandsverbindlichkeiten auf 24,5 % d. BIP erwartet Niedrige Schuldendienstlast (11,7 % der Exporteinnahmen) |
Kenias Staatsverschuldung liegt auf einem hohen Niveau und ist unter Präsident Kenyatta stark angestiegen. Die Auslandsverschuldung befindet sich aber noch im moderaten Bereich und lag 2020* bei 37,9 % des BIP. Für die Folgejahre wird mit einem weiteren Anstieg gerechnet (2021*: 39,7 %, 2022*: 40,9 %), bevor ab 2023* wieder ein Rückgang prognostiziert wird. Die Schuldendienstrate lag 2021* bei 23,7 % der Exporte. Die Devisenreserven entsprechen einer Importdeckung 5,1 Monaten, Tendenz sinkend. |
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