Malaysia. Mit seinem Völkergemisch gilt es als asiatischer Mikrokosmos – und in puncto Stabilität, Infrastruktur und Bildungsniveau ist Malaysia durchaus vorbildhaft. Aber kann es diese Position halten?
Schmelztiegel der Kulturen
Wer möglichst viel von Asien kennenlernen will, ohne dafür weit umherzureisen, der sollte in Malaysia beginnen: Nur rund die Hälfte der Bevölkerung gehört der ethnischen Volksgruppe der Malaien an, der Rest verteilt sich vorwiegend auf Chinesen, Inder und indigene Völker. Diese Vielfalt zeigt sich in Religion, Küche, Sprache – und nicht zuletzt im Geschäftsalltag. „Wenn man Geschäfte in der Privatwirtschaft anstrebt, sucht man oft besser einen chinesisch- oder indischstämmigen Vertreter“, sagt Werner Somweber, der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Kuala Lumpur. „In der Verwaltung hat man dagegen fast ausschließlich mit Malaien zu tun, die von der Regierung offen bevorzugt werden.“
Stolz aufs Glasfasernetz
Eines gilt in Malaysia aber für alle Ethnien: Mit Englisch als Geschäftssprache kommt man gut voran. Andere Assets sind die zentrale Lage innerhalb des ASEAN-Wirtschaftsraumes, die gute Verkehrsanbindung und eine wirtschaftsfreundliche Politik mit moderaten Steuern. „Innerhalb der ASEAN-Länder ist nur Singapur weiter entwickelt“, meint Somweber, „sowohl was das Bildungsniveau betrifft, als auch bezüglich Infrastruktur.“ Auf diese ist man auch bei der malaysischen Standortmarketingagentur MIDA stolz: „In Malaysia gibt es fünf internationale Flughäfen mit Cargo-Abwicklung, sieben internationale Häfen, gut gewartete Autobahnen sowie ein Glasfaser-Netzwerk.“
Der hohe Entwicklungsgrad basiert nicht zuletzt darauf, dass Malaysia seit dem Zweiten Weltkrieg stets einen florierenden Exportsektor aufwies. Erst brachten der Kautschuk-Boom und der Zinnexport viele Devisen, später die fossilen Rohstoffe. 2015 wurde eine moderate Mehrwertsteuer von sechs Prozent eingeführt, um von Öl- und Gaseinnahmen unabhängiger zu werden.
Borneo zahlt drauf
Zu verdanken hat Malaysia die Rohstoffeinnahmen in erster Linie den beiden großen, aber dünn besiedelten Bundesstaaten auf der Insel Borneo. Diese werden von der Regierung auf dem Festland allerdings recht stiefmütterlich behandelt. „Sie bekommen nicht den Teil der Einnahmen, den sie sich wünschen“, meint Somweber, „aber vor jeder Wahl gibt es ein Zuckerl – im Vorjahr wurde am Pan-Borneo-Highway gebaut.“ Für regelmäßige Proteste von NGOs sorgen auf Borneo der Abbau von Tropenholz, riesige Palmölplantagen sowie der Plan für überdimensionierte Staudämme, für deren Strom es auf der Insel nicht einmal genug Abnehmer gibt.
Silicon Island
Malaysia ist es in den letzten Jahrzehnten im Gegensatz zu vielen anderen Ländern der Region gelungen, vom Primärsektor wegzukommen und eine Industrie aufzubauen, die nicht nur einfache, arbeitsintensive Produkte herstellt. So gibt es unter anderem mehrere malaysische Autohersteller wie Proton und Perodua. Die mit Abstand wichtigsten Exportgüter sind heute elektrische und elektronische Produkte, die über 40 Prozent der Ausfuhren ausmachen. Die kleine Insel Penang, über eine Brücke mit dem Festland verbunden, wird oft als „asiatisches Silicon Valley“ bezeichnet.
Die vorhandene Kompetenz lockt auch Investoren. „Malaysia hat bisher schon über 5.000 ausländische Unternehmen aus mehr als 40 Ländern angezogen“, heißt es vonseiten der MIDA stolz. Österreichische Unternehmen, die hier produzieren, sind etwa Semperit (Gummihandschuhe), KTM (Motorräder) und Kekelit (Plastikrohre). Der deutsche Konzern Infineon sorgt für rege Warenströme zwischen seinen Werken in Villach und Malaysia.
Aktuelle Deckungspolitik für Malaysia |
Top-Geschäftschancen |
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Spitzenplätze in Gefahr
Im Ease of Doing Business Index und im Global Competitiveness Index lag Malaysia in den letzten Jahren jeweils im Vorderfeld, Inflation und Arbeitslosigkeit sind niedrig, der Staatshaushalt nur geringfügig negativ, die Leistungsbilanz ansteigend positiv. Auch Malaysias Exporte erzielten 2017 einen Rekordzuwachs von 18,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Alles perfekt also? Nicht ganz.
Zum einen haben die gut ausgebildeten Arbeitskräfte ihren Preis: Der durchschnittliche Bruttomonatslohn im verarbeitenden Gewerbe betrug 2015 bereits 800 US-Dollar. Lohnintensive Branchen zieht es deshalb in günstigere Länder wie Vietnam und Indonesien. „Neue Jobs entstehen zwar, aber derzeit wandern mehr Arbeitsplätze ab“, befindet der Wirtschaftsdelegierte Werner Somweber. Auch, dass die Staatsreligion Islam an Bedeutung gewinnt, schade dem Standort: „In manchen Bundesstaaten wird über das Scharia-Recht diskutiert, das schreckt ausländische Investoren ab.“ Und in den zuvor genannten Indizes ging es zuletzt ein paar Plätze abwärts.
Macht & Milliarden
Die politische Stabilität – seit 1957 regiert dasselbe Parteienbündnis – scheint auch nicht mehr gar so hoch wie früher. Die Opposition erreichte 2013 eine Stimmenmehrheit, blieb aber mandatsmäßig zurück. Ein Oppositionsführer wurde wenig später inhaftiert. 2015 kam dazu ein Finanzskandal ins Rollen, der auch hochrangige Persönlichkeiten wie den Premierminister betraf: Der Staatsfonds 1MDB war so überschuldet, dass es die Bonität des Landes gefährdete. Bei Untersuchungen tauchten seltsame Geldflüsse sowohl beim Fonds (in Milliardenhöhe) als auch auf den privaten Konten des nunmehr ehemaligen Premier Najib Razak auf. Internationale Ermittlungen wegen Korruption und Geldwäsche folgten, die nicht einheitliche Opposition wurde durch die Vorfälle gestärkt. Bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gewann der 92-jährige Ex-Regierungschef Mahathir Bin Mohamad – nun als Oppositionskandidat. Er strebt eine nationale Aussöhnung an. „Die meisten Experten gehen aber nicht davon aus, dass die politische Lage mittel- bis langfristig instabil wird“, beruhigt Somweber. „Solange die Wirtschaft floriert, sind die meisten Menschen zufrieden.“
Markt mit Drehscheiben-Potenzial
Für österreichische Firmen ist der Markt also weiterhin attraktiv. In den letzten Jahren stieg er schon zum größten Ausfuhrmarkt für Österreich in der ASEAN-Region auf. „2017 wurde bei den Exporten bereits die 500-Millionen-Marke überschritten und bei den Importen 350 Millionen“, berichtet Somweber. Im Jahr 2000 waren es noch 104 bzw. 245 Millionen. Neben einigen Produktionsstandorten betreiben österreichische Firmen auch knapp 70 Vertriebsniederlassungen. „Einzelne, zum Beispiel VAMED, nutzen Malaysia auch als regionalen Hub.“
Das ist ganz im Sinne der malaysischen Regierung, wie MIDA bestätigt: „Ihr Ziel ist, Malaysia auch zu einem Hub für andere Bereiche der Wertschöpfungskette zu machen, wie Forschung, Design, Marketing, Support und Logistik.“ Die meisten ausländischen Direktinvestments fließen schon jetzt nicht in die Produktion, sondern in den Dienstleistungssektor. Gute Geschäftsmöglichkeiten für österreichische Firmen sieht die MIDA „vor allem im Bau-, Bahn- und Verteidigungssektor sowie bei Wassertechnologie. Im Bahnbereich sind in den kommenden Jahren viele große Investments geplant.“ Dem stimmt auch der österreichische Wirtschaftsdelegierte zu: „Wir erwarten in der Infrastruktur große Handelszuwächse, vor allem bei Sublieferanten für Eisenbahnprojekte.“
Malaysia in Zahlen* |
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+ wirtschaftlich stabil |
- relativ hohes Lohnniveau |
Die Straße von Malakka ist das Nadelöhr am Seeweg von Indien nach China, was der malayischen Halbinsel besondere strategische Bedeutung verleiht. Schon im 10. Jahrhundert entstanden hier Häfen für den Handel zwischen China und Indien. Araber brachten den Islam in die buddhistischen und hinduistischen Königreiche der Halbinsel, der sich im 14. Jahrhundert schließlich durchsetzte. Die bedeutende Stadt Malakka wurde 1511 von den Portugiesen erobert, fiel 1641 an die Niederlande und 1824 an England – im Stadtbild spiegelt sich diese Geschichte wider. Indische und Chinesische Einflüsse brachten die unzähligen Arbeiter mit, die über die Jahrhunderte nach Malaysia zogen. Ab 1909 war die gesamte Landzunge unter britischem Einfluss, zudem die heute malaysischen Teile Borneos. Nach einigen Jahren japanischer Besatzung im Weltkrieg wurden die Gebiete wieder britisch, ehe Malaysia 1957 seine Unabhängigkeit erklärte. Die Bundesstaaten auf Borneo stießen 1963 zur Föderation, ebenso Singapur, das aber nach zwei Jahren wieder selbständig wurde. |
*Quelle: WKO (inkl. EIU/Statistics Department Malysia), CIA World Factbook (Zahlen für 2016-2018)
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