Bangladesch. Das Land am Ganges-Delta bietet mehr als billige Textilien. Immer mehr Unternehmen aus Österreich wollen die Geschäftschancen im 160-Millionen-Einwohner-Markt nutzen.
Langsamer Wandel
"Jetzt ziehen Sie mal alles aus, was nicht in Deutschland hergestellt wurde!“ Wenn dm-Gründer Götz Werner Vorträge über globalen Handel hält, dann will er bei seinem Publikum das Bewusstsein für die internationale Arbeitsteilung schärfen. Wenn alle, die ihm zuhören, zumindest Teile aus Bangladesch anbehalten dürften, dann würden sie gleich weniger nackt dastehen. Mehr als 90 Prozent der Exporte Bangladeschs machen Bekleidungsartikel aus. "Auch Österreich importiert in großem Stil Textilien und Schuhe“, sagt Oskar Andesner, der als österreichischer Wirtschaftsdelegierter mit Sitz in Neu Delhi für die Region zuständig ist. Allerdings war die Textilindustrie auch für eine der größten Katastrophen des Landes verantwortlich.
Rana Plaza und die Folgen
Es war eines jener Ereignisse, nach denen man nicht mehr so weitermachen konnte wie zuvor. Im April 2013 stürzte in Bangladesch eine riesige Textilfabrik ein, acht Stockwerke hoch, mehr als tausend Tote waren zu beklagen. Die Betreiber hatten die Arbeiter und vor allem Arbeiterinnen zur Arbeit gezwungen, obwohl am Vortag Risse festgestellt worden waren und die Polizei eigentlich den Zutritt ins Gebäude verbot. Rana Plaza wurde zum Synonym für skrupellose Ausbeutung in der globalen Lieferkette. Die Folge war starker Druck auf internationale Modeketten, für bessere Arbeitsbedingungen bei ihren Zulieferbetrieben zu sorgen. "Die triste Situation der Arbeiterinnen und Arbeiter hat sich seitdem dennoch nicht wesentlich verbessert“, sagt Gerald Mayer, Länderexperte bei der OeKB. 12-Stunden-Arbeitstage, Sieben-Tage-Wochen und Unfälle in desolaten Fabriksgebäuden vor allem im Bereich der informellen Zulieferbetriebe sind weiterhin nicht ungewöhnlich, es kommt immer wieder zu Streiks und Demonstrationen. "Aber zumindest schrittweise werden Modernisierungen durchgeführt und Standards erhöht“, so Mayer.
Hohe Wachstumsraten
Das Handelsvolumen zwischen Österreich und Bangladesch ist in den vergangenen Jahren stark angewachsen. Anfang des Jahres fand die erste österreichische Wirtschaftsmission in dem Land statt. "Teilgenommen haben vor allem technische Unternehmen, die Leistungen und Produkte im Bereich Transport und Energie anbieten“, erzählt Andesner. "Auf große Resonanz sind auch Anbieter von E-Education und E-Government gestoßen.“ Banken, Hersteller von medizinischen Geräten und E-Health-Anbieter waren ebenfalls an Bord. Für Jänner 2019 plant das Außenwirtschaftscenter New Delhi eine Follow-up-Mission. "Immer mehr österreichische Unternehmen wollen sich aktiv in Bangladesch etablieren“, sagt Andesner. "Das Land bietet gute Voraussetzungen für Investitionen.“
Das BIP wuchs zuletzt um über sieben Prozent, eine der höchsten Wachstumsraten weltweit. Auch mittelfristig wird mit Wachstumsraten von rund sieben Prozent gerechnet. Goldman Sachs zählt das Land zu den "Next Eleven“, elf Länder mit hoher Einwohnerzahl, die einen starken wirtschaftlichen Aufschwung erleben könnten. "Lediglich die konstant bei rund sechs Prozent liegende Inflation wirft einen kleinen Schatten auf die makroökonomische Performance“, so OeKB-Experte Mayer.
Westlich orientierte Unternehmen
Viele sind überrascht, wie viele Menschen hier leben: Mit über 160 Millionen Einwohnern liegt Bangladesch weltweit an achter Stelle, noch vor Russland, und hat doppelt so viele Einwohner wie Deutschland. Für Unternehmen wie "Franz Haas Waffelmaschinen“ ist es neben Indonesien und Indien einer der wichtigsten Märkte in der Region, erzählt Sales-Managerin Margarete Dräger. Ein bis zwei Maschinen zur Keks- oder Waffelherstellung im Jahr werden geliefert. Die Unternehmer seien sehr westlich orientiert, hätten oft in England studiert.
"Sie sind sehr professionell und sehr anspruchsvoll, wollen sehr genaue Informationen“, sagt Dräger. "Gleichzeitig sind es sehr angenehme Kunden. Es gibt wenige multinationale Unternehmen, dafür aber sehr viele Familienbetriebe.“ Am wichtigsten seien für sie Geschwindigkeit und Qualität. "Die Geschäftsanbahnung ist viel einfacher als in Indien, wo man oft zwei bis drei Jahre über eine Maschine verhandelt.“ Das Label "Made in Austria“ sei ein ganz starker Wettbewerbsvorteil, überhaupt gebe es eine starke Tendenz zu europäischen Unternehmen. Natürlich sind einige Regelungen "tricky“, wie es die Sales-Managerin formuliert. Trotzdem wird Bangladesch im Vergleich zu Indien unterschätzt.
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Lokale Mitarbeiter entscheidend
Es gibt mehrere Eigenheiten von Bangladesch, die "tricky“ sind. Der österreichische Wirtschaftsdelegierte verweist auf die Herausforderungen, die die mangelhafte Verkehrsinfrastruktur sowie die Gas-, Strom- und Wasserversorgung darstellen. Auch das Regelwerk für Außenhandel und Investitionen ist zum Teil nicht sehr präzise. Und während der Außenhandel in manchen Bereichen wie Textilmaschinen, Energie oder Lebensmittel liberalisiert ist, ist er in Bereichen von nationalem Interesse stark reguliert. Auch die Sicherheitssituation ist eher durchwachsen. In den vergangenen Jahren hatte Bangladesch immer wieder unter islamistischen Terroranschlägen zu leiden. Nach dem Zwischenfall im Juli 2016 mit über 20 Toten, darunter vielen Ausländern, ging die Regierung jedoch scharf gegen militante Gruppen vor, sodass es seither keinen Anschlag in dieser Größenordnung mehr gab.
"Trotz der teils schwierigen Bedingungen kann es sich für viele Unternehmen lohnen, sich in Bangladesch zu engagieren“, resümiert Andesner. Wie man dabei vorgehen soll? Der Wirtschaftsdiplomat rät etwa dazu, Personal einzustellen, das sowohl mit der westlichen Kultur als auch mit den geschäftlichen und sozialen Gepflogenheiten im Lande vertraut ist: "Für eine erfolgreiche Marktbearbeitung in Bangladesch sind vor allem lokale Partnerschaften und lokale Mitarbeitende ausschlaggebend.“
Bangladesch in Zahlen* |
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+ |
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+ hohes Wirtschaftswachstum |
- Mangelhafte Infrastruktur (Verkehr, Energie, Telekommunikation) |
Bangladesch war die erste Region des indischen Subkontinents, die im 18. Jahrhundert von Großbritannien erobert wurde. Bis 1947 blieb das Land Teil des britischen Empire. Nach der Unabhängigkeit kam es zu einer Zwei-Nationen-Lösung mit einem mehrheitlich hinduistischen Indien und einem überwiegend muslimischen Pakistan – wobei zu Pakistan auch das heutige Bangladesch gehörte, damals noch unter "Ost-Pakistan“ firmierend. Bald wurden Rufe nach Autonomie laut. 1971 erkämpfte sich Bangladesch in einem neun Monate dauernden Krieg die Unabhängigkeit. Nach einer kurzen Phase der Demokratie und einigen Militärputschen kehrte Bangladesch erst 1990 wieder zur parlamentarischen Demokratie zurück. Heute wird die Politik von den zwei großen Parteien BNP und Awami-Liga geprägt, die beide von Frauen geführt werden. Die extreme Rivalität zwischen den beiden Gruppierungen (und ihren Führerinnen) hat immer wieder gewalttätige Unruhen und Generalstreiks zur Folge. Ob Awami-Liga-Chefin Sheik Hasina eine weitere Amtsperiode als Premierministerin antreten kann, wird sich bei den Wahlen Ende des Jahres entscheiden. |
*Quelle: WKO, CIA World Factbook (Zahlen für 2016-2018)
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