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07.02.2019

Vieles ist im Umbruch, politische und wirtschaftliche Polarisierungen nehmen zu, neue Zweiteilungen entstehen, Roboter ersetzen Arbeitskräfte, Künstliche Intelligenz ist im Vormarsch. Über diese Aspekte und noch viel mehr wurde im Rahmen eines Treffens von Ökonominnen und Ökonomen in der OeKB diskutiert. Nachfolgend eine Zusammenschau der wichtigsten und spannendsten Einblicke und Erkenntnisse.

Erkenntnisse Roundtable 2018

Die Weltordnung verändert sich

Die Welt hat mit einem neuen Phänomen zu tun: Die wirtschaftliche Isolationspolitik der USA hat zu einem Machtvakuum geführt. Dies lässt China in ziemlich rasantem Tempo erstarken. Die Folgen sind bereits deutlich in Afrika und Lateinamerika zu sehen. Dort bauen chinesische Konzerne neue Fabriken auf und wichtige Bodenschätze ab. Mit einer gewissen Sorge stellt sich nun die Frage: Wo bleibt Europa in diesem Gefüge? 

Europa ist gefordert

Europa war bisher vom Gedanken der Konvergenz zum Aufbau einer einheitlichen Wirtschafts- und Währungsunion geleitet – theoretisch. Das praktische Ergebnis sieht etwas anders aus: Es besteht nach wie vor ein starkes Gefälle zwischen reicheren und ärmeren EU-Ländern, zwischen den Defizitländern und Überschussländern. Die Kluft wird durch tiefgehende strukturelle Probleme aufrechterhalten, deren Lösung seit Jahrzehnten auf die lange Bank geschoben wird. So stehen etwa – um nur ein Beispiel zu nennen – die osteuropäischen EU-Länder vor den Herausforderungen von „drained countries“. Gut qualifizierte Arbeitskräfte haben ihre Heimat verlassen, um besser und höher qualifizierte Jobs in wirtschaftlich reicheren EU-Ländern zu finden. Nun gilt es dringend, diesen „brain drain“ wieder umzukehren und „die guten Leute“ mit entsprechenden Anreizen zurückzuholen.

Fragen der staatlichen Souveränität 

Während die Konvergenz im wirtschaftlichen Bereich in der EU tendenziell ganz gut funktioniert hat, bleibt fraglich, ob wir die Konvergenz im Währungsbereich jemals schaffen werden. Hier ist wohl noch länger mit Dissens zwischen den EU-Ländern zu rechnen. Die Währungsunion, die eigentlich der krönende Abschluss der EU-Konvergenz sein sollte, hat vielmehr zu einer Gegenentwicklung geführt: Fragen der staatlichen Souveränität der Mitglieder stehen mehr denn je im Vordergrund. Wie wird sich der Wegfall Großbritanniens auf das Machtgefüge innerhalb der EU auswirken? Sollen kleine EU-Länder weiterhin die gleiche Stimme in der EU haben wie die großen? Wir haben gelernt, dass Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit wunderbar funktioniert haben, als es um die Einführung des Binnenmarkts ging. Aber funktioniert dieses Prinzip auch beim Thema Währungsunion? Braucht es ein neues Regelwerk?

Echte Konvergenz in der EU zu erreichen bedeutet, dass noch viel Arbeit vor uns liegt. Wir müssen anerkennen, dass es nur sehr langsam vorangehen wird. Wir werden akzeptieren müssen, dass verschiedene Formen des Miteinanders in der EU nebeneinander bestehen, dass kulturelle Unterschiede respektiert werden müssen und konstitutionelle bzw. institutionelle Fragen neu diskutiert und gelöst werden müssen. Dies alles geschieht vor dem Hintergrund sich verschiebender (wirtschafts-)politischer Machtverhältnisse zwischen den USA und China und neuer Monopole, die durch die Digitalisierung entstehen. Für Europa ist hiermit ein völlig neuer Kontext entstanden.

Politische Einflüsse in Wirtschaftsprognosen

Dieser neue Kontext ist auch eine Herausforderung für Ökonominnen und Ökonomen. Wirtschaftsprognosen sind nicht mehr von der Politik losgelöst möglich. Neue Sensibilität für politische Einflüsse ist in die Prognosetätigkeit einzubeziehen. Natürlich sollen Ökonominnen und Ökonomen nicht Politik machen, aber sie können ohne Berücksichtigen der Politik und deren Veränderung künftig keine sinnvollen Prognosen mehr erstellen. „Scenario Thinking“ wird mehr und mehr an Bedeutung gewinnen, ein stärkerer Fokus wird auf qualitative Prognosen anstelle quantitativer Einschätzungen zu legen sein.

Herausforderung Digitalisierung

Dieser Denkansatz würde auch künftig einen wichtigen Punkt bei Prognosen einbeziehen: das Thema Ungleichheit. Zur bisherigen Einkommens- und Vermögensungleichheit kommt eine neue hinzu – nämlich jene durch die Digitalisierung. Roboter und Künstliche Intelligenz werden starken Einfluss auf das künftige Jobangebot haben. Sie werden zwar nicht zu Massenarbeitslosigkeit führen, aber sie schaffen auch keine Jobs mit Aussicht auf Einkommenswachstum. Die Mittelqualifizierten werden überproportional stark davon betroffen sein. Sie werden Jobs haben, aber nicht ausreichend Einkommen. Sollte in der Folge das Bedingungslose Grundeinkommen eingeführt werden? 

Re-Shoring, Entwicklungssprünge und Krisen

Die weitere Digitalisierung mit dem Einsatz von Robotern und Künstlicher Intelligenz könnte zu einer Rückkehr von Arbeitsplätzen in die Herkunftsländer der produzierenden Unternehmen führen, also zu einem „Re-Shoring“. Es ist davon auszugehen, dass Roboter noch günstiger produzieren als die menschliche Arbeitskraft in Billiglohnländern. Andererseits könnte die voranschreitende Digitalisierung gerade wirtschaftlich schwachen und Schwellenländern einen Entwicklungssprung ermöglichen – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Digitalisierung nicht zu einer Monopolbildung führt. Dies wäre ein großer volkswirtschaftlicher Negativeffekt, der zu neuen Krisen führen würde.

Wie schaut es mit der Krisenresistenz der Weltwirtschaft aus?

Apropos Krisen: Wie haben wir die globale Finanzkrise von 2008 bislang verdaut? Wie widerstandsfähig sind wir in den vergangenen zehn Jahren geworden? Die Antwort gleich vorweg: deutlich weniger als wir glauben. Natürlich haben wir viel aus den Fehlern von damals gelernt. Unser Fokus muss aber weiterhin auf Systemstabilität, Kontrolle von Geldmengen- und Kreditwachstum, Bereitschaft zu öffentlichen Ausgaben statt Austeritätspolitik liegen – und dies alles vor dem Hintergrund, dass sich die Welt politisch, demografisch und technologisch rasend schnell verändert. Selbstgefälliges Schulterklopfen ist also nicht angebracht. Vielmehr sollten wir achtsam und veränderungsbereit bleiben.

 

Anmerkung: Diese Zusammenfassung spiegelt subjektive Meinungen und Aussagen der Teilnehmenden wider und nicht notwendigerweise die Positionen der OeKB.