07.01.2020

Ägypten. Reformen blasen der Wirtschaft frischen Wind in die Segel – und trotz des politischen Wellengangs nimmt diese Fahrt auf.

Die Wüste als Wohnraum

Die Bevölkerung in Ägypten nimmt immer mehr zu. Daher soll in Zukunft die Wüste Ägyptens besiedelt werden.

In der Antike war Ägypten die Kornkammer Roms. Heute muss mehr als die Hälfte der Nahrungsmittel importiert werden. Dabei ist die Produktivität in der Landwirtschaft durchaus hoch, obwohl nur ein Bruchteil der Landesfläche bewohnbar und ackerbaulich nutzbar ist. Mit dem hohen Bevölkerungswachstum kann die Produktion dennoch nicht mithalten – und auch die Städte werden zu klein. Ägyptens Rezept dagegen: Die Wüste soll besiedelt werden.

"Die Bevölkerung wächst um mehr als zwei Millionen Menschen jährlich – das ist also jedes Jahr ein großes Wien, das zusätzlich benötigt wird", erläutert Martin Woller, der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Kairo. "Derzeit konzentriert sich die Bevölkerung stark im Nildelta, das will man ändern." Zwanzig komplett neue Städte sollen in den nächsten Jahren entstehen, darunter eine neue, noch namenlose Hauptstadt rund 50 Kilometer östlich von Kairo, die einmal fünf Millionen Menschen Platz bieten soll. Auch die rohstoffreichen Gebiete im Süden des Landes sollen stärker besiedelt werden, ebenso die Mittelmeerküste, wo die 3-Millionen-Metropole New Alamein City aus dem Boden gestampft wird.

Die Bevölkerung wächst um mehr als zwei Millionen Menschen jährlich – das ist also jedes Jahr ein großes Wien, das zusätzlich benötigt wird.
Martin Woller, österreichischer Wirtschaftsdelegierter in Kairo

Reformen greifen

Ein solches Investitionsprogramm ruft natürlich internationale Akteure auf den Plan, die hier eine große Chance wittern. Zumal auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sich in der zweiten Hälfte des turbulenten Jahrzehnts deutlich verbessert haben. "Die letzten zehn Jahre waren sehr mit Spannung besetzt. Aber seit drei bis vier Jahren werden Reformen umgesetzt, und jetzt sieht man erste Ergebnisse", sagt Woller. "Das fällt natürlich Analysten und Firmen rund um die Welt auf, dass in Ägypten jetzt vieles besser funktioniert – da muss Europa gut achtgeben, nicht zu spät zu kommen."

Auch in der OECD-Länderklassifikation stieg Ägypten dieses Jahr bereits auf, wie Länderexpertin Ines Baumann von der OeKB berichtet: "Durch den insgesamt günstigeren Ausblick hat sich Ägypten von der Kategorie 6 in die Kategorie 5 verbessert." Baumann hebt auch den "konstanten Wachstumspfad" hervor, der heuer ein Wirtschaftswachstum von rund 5,5 Prozent bringen wird und lobt ebenfalls die Reformen der letzten Jahre: "Sie sollten langfristig die Wirtschaft kräftigen und das Investorenvertrauen steigern." Auch auf die vielfältigen Deviseneinnahmen weist sie hin: "Neben dem Sueskanal bringen auch Öl- und Gasexporte und der Tourismus Einnahmen, dazu kommen private Überweisungen von Auslandsägyptern." Ein kleiner Wermutstropfen für Baumann: Die Auslandsverschuldung steige durch die hohen Investitionen stark. "Dafür sollte das Handelsbilanzdefizit in den nächsten Jahren zurückgehen."

Noch nicht ganz flüssig

Chancen für österreichische Firmen sieht der Wirtschaftsdelegierte Woller in vielen Branchen, zumal auch die Infrastruktur der bestehenden Städte ausgebaut werden muss: "Zum Beispiel hat Ägypten bei Umwelttechnik und Wasserwirtschaft noch großen Aufholbedarf. Aber es gibt allgemein wenige Wirtschaftszweige, die man außen vor lassen kann." Etwas schwierig ist die Lage derzeit noch bei Konsumgütern: Nachdem 2016 der Wechselkurs des ägyptischen Pfunds freigegeben wurde, kam es zu einer starken Abwertung gegenüber Dollar und Euro. Das beflügelt zwar Ägyptens eigene Exportwirtschaft, schwächte aber die Kaufkraft der Bevölkerung bei Importprodukten. "Über kurz oder lang wird sich aber auch die Konsumnachfrage wieder erholen", ist Woller sicher.


Die Abwertung der Lokalwährung ist allerdings für österreichische Exportunternehmen generell eine Herausforderung, weil viele in Ägypten nun mit den teuren Preisen kämpfen. "Für österreichische Unternehmen gilt es, jene Projekte herauszufiltern, wo man finanziell auf guten Beinen steht und Wert auf Qualität legt", sagt Woller. "Man möchte in Ägypten gute Qualität, aber das Preisniveau der Billiganbieter – das wird immer mehr zum Spagat für europäische Firmen."

 

  Wussten Sie, dass ...

  • ... sowohl das Land Ägypten, als auch die Stadt Kairo im Arabischen den Namen "Misr" tragen? Er bezieht sich auf eine historische Figur, die in der Bibel und islamischen Überlieferungen die Neubesiedlung Ägyptens nach der Sintflut betrieb.

  • ... der Großraum Kairo mit rund 17 Millionen Einwohnern die größte Metropolregion Afrikas ist?

  • ... Alexander der Große sich von den Hohepriestern des Ptah in Memphis nach ägyptischem Ritus zum Pharao krönen ließ? Er wollte damit auch die Gunst der Bevölkerung gewinnen.

Im ersten Halbjahr 2019 haben die österreichischen Exporte gegenüber dem Vorjahr um mehr als 15 Prozent auf 143 Millionen Euro zugelegt.
Ines Baumann, OeKB-Länderexpertin

Papier und Pharmaka gefragt

Das Handelsvolumen zwischen Österreich und Ägypten nähert sich derzeit wieder dem Höchststand von 2016 an. "Im ersten Halbjahr 2019 haben die österreichischen Exporte gegenüber dem Vorjahr um mehr als 15 Prozent auf 143 Millionen Euro zugelegt", berichtet Ines Baumann von der OeKB. "Die Importe sind prozentuell sogar noch stärker gestiegen, aber auf einem niedrigeren Niveau – auf 41 Millionen Euro." Bei den österreichischen Ausfuhren sind neben den "üblichen" Gütern wie Maschinen auch Papier und pharmazeutische Erzeugnisse stark vertreten.

Einige österreichische Unternehmen sind auch mit Niederlassungen in Ägypten aktiv. So übernahm etwa Alpla 2015 einen Produktionsstandort für Kunststoffverpackungen nördlich von Kairo. Und Agrana betreibt seit 2010 ein Joint Venture im Bereich Fruchtzubereitungen für die Molkerei-, Backwaren- und Eiscremeindustrie.

Top-5-Wachstumsmarkt

Das Harvard Center for International Development zählt Ägypten zu den globalen Top-5-Wachstumsmärkten bis 2027. Wer an diesem Kuchen mitnaschen möchte, sollte also nicht lange zögern – aber auch nicht hetzen. "Ein schnelles einmaliges Geschäft ist schwierig zu erreichen, so wie in anderen arabischen Ländern gibt es eine große Beziehungskultur", erklärt der Wirtschaftsdelegierte Martin Woller. "Außerdem lohnt es sich, bei der Partnerwahl genau hinzusehen und länger zu prüfen – und nicht den ersten zu wählen, der alles verspricht."

Aktuelle Deckungspolitik Ägypten

Top-Geschäftschancen

  • Deckung mit Einschränkungen
  • 100 % Deckungsquote für politische Risiken
  • Soft Loans möglich
  • OECD-Länderkategorie 5 von 7

Zu den Länderinformationen

  • Infrastruktur
  • Wassermanagement
  • High-Tech-Industrie
  • Umwelttechnologie
  • Rohstoffe
  • Pharma

Nubiens Sonne nutzen

Ägyptens Potenzial für Solarenergie ist riesig, wird aber noch kaum genutzt. Das soll sich bald ändern: Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2022 den Anteil erneuerbarer Energie in der Stromproduktion auf 20 Prozent zu erhöhen. Zahlreiche Solarprojekte entstehen nun im Benban Solar Park, einem Wüstenareal nahe Assuan im Süden des Landes. In dem 37 Quadratkilometer großen Gebiet sollen Photovoltaikkraftwerke mit insgesamt 1.650 MW Kapazität installiert werden. Zum Vergleich: Österreichs derzeit größte Photovoltaikanlage in Flachau hat eine Nennleistung von 3,2 MW. Die OeEB beteiligt sich mit einer Finanzierung von 20 Millionen US-Dollar über das Programm "Nubian Suns" der IFC (International Finance Corporation) an drei Photovoltaikanlagen. Über "Nubian Suns" stellt ein Konsortium internationaler Entwicklungsbanken insgesamt 653 Millionen Dollar für den Benban Solar Park bereit. Daraus werden die Errichtung und der Betrieb von 13 Solarprojekten mit einer Kapazität von 752 MW finanziert. Sie werden künftig sauberen Strom für rund 350.000 Haushalte generieren.
 

Ägypten in Zahlen*

  • Bevölkerung 97 Mio.
  • Human Development Index: Rang 115 (von 189)
  • Geburtenrate: 3,4 Kinder/Frau
  • Lebenserwartung: 73,2 Jahre
  • BIP-Wachstum real 2019: 5,3 %
  • BIP absolut 249,6 Mrd. US-$
  • BIP pro Kopf:  2.600 US-$
  • Inflation: 20,9 %
  • Exporte: 28,2 Mrd. US-$
  • Importe: 67,5 Mrd. US-$

  Geschichte kurzgefasst: Vom Pharao zum General

Ägyptens Hochkultur entwickelte sich um 3.000 vor Christus, als ein gemeinsames Königreich aus Ober- und Unterägypten entstand. Mit dem Ende des Neuen Reichs (um 1.200 v. Chr.) klangen die glorreichen Zeiten unter berühmten Pharaonen aus. 332 v. Chr. eroberte Alexander der Große Ägypten von den verhassten persischen Fremdherren, gründete Alexandria und leitete die Griechisch-Römische Zeit ein. Der Reichtum des Landes währte auch in der Oströmisch-Byzantinischen Phase (395 bis 640 n. Chr.) und nach der folgenden Eroberung durch die Araber und schwand erst, als das Land bereits Teil des Osmanischen Reichs war (ab 1517). Durch den teuren Bau des Sueskanals (1859–1869) gewannen die Kreditgeber Großbritannien und Frankreich Einfluss, ehe 1882 die Briten Ägypten besetzten. Seit 1936 ist das Land souverän. Kriegen gegen Israel 1967 und 1973 folgte 1979 ein Friedensvertrag. Von 1981 bis 2011 regierte Hosni Mubarak autoritär. Der arabische Frühling brachte den bald ungeliebten Muslimbruder Mohammed Mursi an die Macht, bis sich im Juli 2013 Generaloberst Abd al-Fattah as-Sisi an die Staatsspitze putschte.

*Quelle: WKO, CIA World Factbook

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