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24.01.2018

Kürzlich diskutierten internationale Expertinnen und Experten in der OeKB durchaus kontroversiell über die geldpolitische Maßnahme der quantitativen Lockerung - Quantitative Easing: Wie lange werden die Zentralbanken noch Wertpapiere ankaufen, und bringt diese Strategie überhaupt den gewünschten Effekt?

Münzen auf Tisch

Hier ein Überblick über die Diskussionsinhalte:

 

Es lässt sich nicht eindeutig beantworten, ob die quantitative Lockerung (QE)* den gewünschten Effekt gebracht hat, denn es gibt nicht eine einzige Art von QE. Notwendig wurde QE jedenfalls durch den Zusammenbruch der Wirtschaftsaktivität und einer Schwächung bzw. dem Verschwinden des monetären Transmissionsmechanismus.**

Es ist anzunehmen, dass der Haupteffekt von QE ein psychologischer ist: Es geht weniger um die tatsächliche Ausweitung, als um das Demonstrieren von Handlungsfähigkeit und von „Forward Guidance“ in der Geldpolitik, d.h. der offenen Kommunikation der längerfristigen geldpolitischen Strategie.

Niemand kann wirklich sagen, was passiert wäre, hätte es kein QE gegeben. Es kann durchaus sein, dass durch das QE ein relevanter Beitrag zur Rezessionsbekämpfung geleistet wurde. Ob dies aber etwa durch andere Politiken effektiver zu erzielen gewesen sein, weiß man nicht. Natürlich gibt es dadurch Marktverzerrungen, aber diese hätte es in anderer Form auch bei anderen Strategien gegeben.

Einer der Aspekte der mangelnder Effektivität ist, dass die quantitative Lockerung regionale bzw. nationale Märkte betrifft, die Wirtschaftsentwicklung aber global ist. Solange daher die Zentralbanken in ihren Politiken nicht auf die globalen Märkte fokussieren, besteht das Risiko, dass sie in ihren Strategien zunehmend ineffektiver werden.

Wann und wie kann man aus QE wieder aussteigen?

Die Gründe, die neben politischen Motiven für einen Ausstieg genannt werden, sind das Risiko eines Inflationsdrucks und Verzerrungen des Marktes. Gegen einen Ausstieg spricht, dass nicht ganz klar ist, welche Teile der Zentralbankbilanz tatsächlich Überschussreserven sind und welche der angekauften Wertpapiere die Zentralbanken eigentlich behalten wollen. Ebenso ist fraglich, ob es ausreichend andere Nachfrage nach diesen Wertpapieren gibt, um aus QE einfach auszusteigen.

Insgesamt gibt es keine großen Befürchtungen, dass die quantitative Lockerung nicht auch wieder relativ störungsfrei zurückgefahren werden kann – bislang wurden die Reduktionen („tapering“) weitgehend unaufgeregt von den globalen Märkten absorbiert.

Sind in Zukunft Krisen des Bank- und Finanzsystem auszuschließen?

Nach wie vor bringen Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen - Länder mit hohen Überschüssen und Länder mit hohen Defiziten - auch Instabilität in das geldpolitische System. Würde derzeit eine Krise kommen, stünde die expansive Geldpolitik vor der Problematik, dass ihr erstens die Handlungsspielräume für neue unkonventionelle Politiken fehlen und es zweitens fraglich ist, ob es überhaupt noch Anleihen gibt, die angekauft werden könnten.

Der Gesamtbefund der Expertinnen und Experten lautet daher: Das System ist nicht wirklich sicherer geworden. Keine Zentralbank habe die letzte Krise kommen sehen – warum sollte es bei der nächsten anders sein?

* Wie funktioniert Quantitative Lockerung? Erfahren Sie mehr darüber auf der Seite der Europäischen Zentralbank: https://www.ecb.europa.eu/explainers/show-me/html/app_infographic.de.html

** Der Transmissionsmechanismus der Geldpolitik beschreibt, wie sich geldpolitische Entscheidungen auf die Wirtschaft auswirken.

Die Quantitative Lockerung (QE) dient allein dem nationalen Schuldenmanagement

Daniel Gros, Director Centre for European Policy Studies

Am Rande der Konferenz in der OeKB befragten wir Daniel Gros, Director des Centre for European Policy Studies (CEPS) zum Quantitative Easing. Erfahren Sie hier, ob und welche Auswirkungen QE seiner Meinung nach auf die Weltwirtschaft haben kann.

Herr Gros, Sie sehen die Zentralbanken vor neuen Rahmenbedingungen und daher vor der Notwendigkeit von Politik- bzw. Zielveränderungen. Um dies zu verstehen, sollten wir zunächst die bestehenden Politiken und Ziele anschauen. Das Hauptziel der Europäischen Zentralbank ist die Preisstabilität. Worauf begründet sich dieses Ziel?

Die Ursprünge dieses Mandats sind auf die 1970er und 1980er Jahre zurückzuführen. Damals wurde die Inflation als Ursache allen Übels auserkoren. Als die Maastricht-Verträge beschlossen wurden, schaute man auf rund 15 Jahre zurück mit durchaus hohen Inflationsraten: In Frankreich war sie Anfang der 1980er Jahre bei knapp 15 Prozent, in Italien 1982 über 20 Prozent. Selbst Deutschland erlebte immer wieder Phasen von Inflation nahe oder über fünf Prozent.

Daher hat man Anfang der 2000er Jahre beschlossen, dass das Preisziel unter, aber nahe zwei Prozent liegen soll. Man konnte damals nicht wissen, dass nach Anfang der 1990er Jahre Inflation kein Thema mehr war. Denn Tatsache ist: Der Euro hat sehr stabile Preise mit sich gebracht.

War es nur der Euro, der die Preise stabilisiert hat?

Nein, es gab auch durchaus globale Trends, die hier unterstützend wirkten. Gleichzeitig mit der Europäischen Währungsunion expandierten die globalen Finanzmärkte - Stichwort: Kreditboom, was die Preise ebenfalls dämpfte. Wir sehen daher ab 1992 einen fast parallelen Disinflations-Trend der entwickelten Volkswirtschaften und der Eurozone.

Und wie geht es jetzt weiter?

Der Preisindex für die gesamte Volkswirtschaft, der für die Messung von Inflation eigentlich relevanter ist als der Verbraucherpreisindex, liegt derzeit bereits nahe zwei Prozent. Und wenn man sich den mittelfristigen Trend anschaut, dann können wir durchaus von einer ermutigenden, nach oben zeigenden Entwicklung sprechen. Wenn dem so ist, sollte eigentlich der Zinssatz angehoben werden. Dies ist einer der Punkte, wo ich sage, dass die veränderten Rahmenbedinungen zu einer Veränderung der Politik führen müssten.

Neben dem Zinssatz ist die Geldmenge das zweite geldpolitische Instrument. Wir haben in Europa und den USA eine sehr expansive Geldpolitik – das so genannte Quantitative Easing, auf deutsch die Quantitative Lockerung – erlebt. Welche Effekte hat dieses Ihrer Meinung nach?

Der Zweck dieser Art von unkonventionellen Ausweitung der Geldmenge hängt stark vom Zustand der Finanzmärkte ab. Wir wissen, dass insbesondere in Zeiten hoher Unsicherheit Aktivitäten der Zentralbank stark die Erwartungen beeinflussen können. Je höher der Stress auf den Finanzmärkten ist, umso höher sind diese Effekte. Als daher etwa die Fed (Anmerkung der Redaktion: die US-Notenbank) im Jahr 2009 zum ersten Mal mit QE die Geldmenge erweiterte, war die Instabilität der Märkte auf ihrem Höhepunkt und der Effekt war daher klar spürbar in einer deutlichen Beruhigung der Finanzmärkte. Spätere Runden waren dann nicht mehr von so hohem Stress gekennzeichnet und hatten auch viel weniger Effekt.

Und wie ist der Zusammenhang von QE und dem Zinssatz? Führt die quantitative Lockerung zu einer Senkung der langfristigen Zinssätze?

Wir sehen etwa aus den USA, dass dort gleichzeitig mit QE tatsächlich die Zinssätze sanken. Allerdings fielen zu dieser Zeit dann auch in Europa die Zinssätze, ohne dass es dort bereits QE gegeben hat. Und Achtung: Die Zinssätze in Europa sind sogar stärker gefallen als in den USA. Und mit jedem neuen Anlauf von QE in den USA stiegen die Zinsdifferentiale zwischen den USA und Deutschland noch weiter an. Der Effekt ist also nicht wirklich eindeutig. Noch weniger klar ist im übrigen der Effekt auf die Wechselkurse.

Die Europäischen Zentralbank hat ja mit der quantitativen Lockerung überhaupt erst 2015 begonnen, als es eigentlich schon kaum mehr Stress auf den Finanzmärkten gab. Was ist hier die Begründung dafür?

Ja, da ging es nicht um Instabilität, sondern vordergründig um die Hoffnung, dass die Inflationsrate anspringen würde. Aber eigentlich steht hier ein ganz anderes Motiv dahinter, nämlich QE als Instrument des nationalen Schuldenmanagements. Denn es ist ja nicht – entgegen landläufiger Meinung – die Europäischen Zentralbank, die hier Anleihen ankauft, sondern es sind die Nationalbanken der einzelnen Mitgliedstaaten. Nicht die Europäischen Zentralbank hat italienische Anleihen gekauft, sondern die Banca d’Italia. Da QE in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich zum Einsatz kommt, sind die Effekte auch unterschiedlich und wir können sicherlich nicht von einer einheitlichen Geldpolitik sprechen.

Aber es geht doch darum, dass durch Quantitative Easing und gemeinsame Geldpolitik auch die Risikodifferentiale zwischen einzelnen Euroländern sinken, dass das Risiko eben gemeinsam geschultert wird?

Das mag sein, dass das behauptet wird, die Evidenz ist eine andere. Da die nationalen Banken kaufen, kann man nicht von Risikoteilung sprechen und auch nicht von einer Verringerung der unterschiedlichen Länderisiken. Wenn wir uns die Risikoaufschläge von etwa Spanien und Italien gegenüber Deutschland ansehen, so sieht man, dass ab Mitte 2011 die Differenz stark anstieg. Im Juli 2012 hat Draghi dann seine berühmte Rede gehalten mit der Ankündigung „was immer nötig sein wird“. Diese Rede hat massiv die Erwartungen der Märkte beeinflusst und die Risikoaufschläge sanken zunächst deutlich, dann etwas langsamer.

Im Jänner 2015 kam es zur Ankündigung von QE und für zwei Monate kam es nochmals zu einer Verringerung der Differenz zu Deutschland. Im März 2015 startete QE – und, hoppla, die Risikozuschläge stiegen wieder an mit einer nochmaligen Beschleunigung im Sommer 2016, als die Käufe ausgeweitet wurden. Als hingegen Anfang 2017 die Käufe etwas reduziert wurde, sanken auch die Risikoaufschläge wieder. Tatsache ist also, dass die empirische Evidenz vollkommen konträr zu dem ist, was man eigentlich erwarten würde.

Es geht also weniger um Risikosenkung als um nationales Schuldenmanagement?

Absolut. Durch die Ankäufe von Staatsanleihen durch die eigenen Nationalbanken werden die durchschnittlichen Fristigkeiten der Staatsverschuldung verkürzt und der Fiskus kann aufgrund der Differenz von Anleihensatz und Depotsatz eine nette Ersparnis lukrieren.

Selbst also wenn QE keinen direkten Effekt auf den Zinssatz der Staatsanleihen oder auf die Risikoprämien hat, hat es diesen nicht zu unterschätzenden fiskalischen Effekt. Diesen Effekt dürfen wir nicht vergessen, wenn es um die Frage geht, ob die EZB den Zinssatz hinaufsetzen soll. Das würde nichts anderes heißen, als dass die Fiskalgewinne wegfallen und die Staatsschulden wieder teurer werden. Glauben Sie wirklich, dass die EZB in naher Zukunft die Zinssätze hinaufsetzen wird, wenn die ihr angehörigen Nationalbanken etwa 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Form öffentlicher Verschuldung in ihren Büchern haben?

Abschließend also die Frage – was ist Ihre Gesamteinschätzung dieser unkonventionellen Geldpolitik namens Quantitative Easing?

Quantitative Easing hat die Bilanzen der Zentralbanken ausgeweitet. Es wurden damit große Mengen von Assets bewegt, allerdings mit einem recht unklaren Effekt für die damit verbundenen Assetpreise. Sicher ist nur der fiskalische Effekt, so dass insbesondere in der Eurozone die quantitative Lockerung nichts anderes als nationales Schuldenmanagement ist.

Die gute Nachricht zum Schluss: Da Quantitative Easing so wenig Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft hat, sollte es eigentlich auch keine Effekte haben, wenn wir es wieder zurückfahren. Ökonomisch wäre es kein Problem, ob es politisch durchsetzbar ist, wird sich zeigen …